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diesen Plan zu hintertreiben. Die Franzosen fühlten fidi cuett als Herren Der Stadt und handelten als solche, obwohl der Kurfürst von Mainz, der größte Gegner Friedrichs Ii., ihr treuester
Verbündeter war. ^
Nach der Lchlacht: Bald aber änderte sich das Bild. <zu
der Schlacht bei Roßbach hatte Friedrich mit der Potsdamer Wacht-parade einen glänzenden Sieg über die Reichsarmee und das sran-
zösische Heer errungen. Nun flohen die Franzosen, so schnell sie
konnten, dem Rheine zu und berührten auf ihrer Flucht auch Erfurt. Am 7. November, zwei Tage nach der Schlacht, trafen die
ersten Verwundeten und Versprengten hier ein. Bald aber solgten große Scharen nach, Fußvolk und Reiterei, Offiziere und Gemeine, alles in buntem Gemisch durcheinander und alle in einem erbärmlichen Zustande. Die meisten hatten ihre Gewehre und alles, was ihre eilige Flucht hätte hindern können, weggeworfen. Viele hatten keine Helme mehr auf dem Kopfe und keine Schuhe mehr an den Füßen. Einige hielten lange Bohnenstangen in den Händen und führten nach Frosches Art ungeheure Sprünge aus. Wirk lich, eine richtige Reißausarmee! — Andere wieder weinten bitterlich. Sie hatten sich während der Schlacht an den durch das Schießen heiß gewordenen Gewehren die Finger verbrannt. Besonders ausfällig war aber die Schweigsamkeit aller. Früher hatten sie den Mund nicht voll genug nehmen können, jetzt aber entschlüpfte nur selten ein „Sacre nom de Dieu“ ihren bebenden Lippen. Friedrichs Feldherrnkunst hatte ihre ruhmredigen Zungen gelähmt. Sie beschrieben, wenn sie gefragt wurden, die Schlacht mit wenig Worten: „O mon Dieu!“ Die klein, klein Trupp! O Die groß, groß Feuer!"
Bald kamen auch die Gepäckwagen zurück. Ihr Durchzug wollte gar kein Ende nehmen; drei Tage dauerte er in einem fort. Die Bauern der Dörfer, durch welche der Rückzug ging, hatten furchtbar zu leiden. Viele Orte wurden ausgeplündert, z. B. Ollendorf, Klein-Mölfen und Tüttleben. Beim Anrücken eines versprengten Haufens zogen darum die Bauern die Sturmglocke und stellten sich, mit Mistgabeln, Dreschflegeln und Sensen bewaffnet, zur Wehr, und mancher französische Soldat hat damals durch die von der Verzweiflung übermannten Schützer des heimatlichen Herdes seinen Tod gesunden. (Nach Const. Beyer.)
61. Erfurt im Siebenjährigen Kriege.
Grund der Feindschaft: Im August 1756 fiel Friedrich Ii. unerwartet in Sachsen ein. Dafür wurde er auf dem Reichstage zu Regeusburg von den versammelten deutschen Fürsten mit der Acht belegt. Hierbei war der Kurfürst von Mainz besonders tätig gewesen. Dem König blieb das Tun des Erzbifchofes nicht ver-
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Extrahierte Personennamen: Friedrichs Friedrich Friedrich Friedrichs_Feldherrnkunst Friedrichs B._Ollendorf August Friedrich_Ii Friedrich
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brauchen begangen wurde. Den größten Fremdenftrom führte jedoch die große Fronleichnamsprozession herbei, eine Schöpfung der Jesuiten. Hinter dem feierlichen Zuge erschienen, teils auf breiten, teppichbedeckten Wagen, teils auf Brettern oder auf den Schultern getragen, bildliche Darstellungen aus der Heiligen Schrift. Sie wurden von lebenden Personen dargestellt und dienten nur zur Befriedigung der Schaulust der Umstehenden. Da sah man den Propheten Jonas im Rachen des Walfisches, David mit der Schleuder und den Riesen Goliath, Josua und Kaleb mit der großen Weintraube u. a. m.
Das Stadtinnere: Die Stadt selbst machte äußerlich einen recht stattlichen Eindruck. Mit ihren zahllosen Türmen und Kirchen, überragt vom Dom und den beiden Stiftskirchen, bot sie dem Wanderer ein herrliches Bild, dem aber das Innere in keiner Weise entsprach. Durch die finsteren, gewundenen Tore gelangte man in die Stadt, falls es nicht Nacht ober am Sonntag zur Kirchzeit war. Zu biefen Stunben waren die Tore geschlossen und würden nur gegen eine Vergütung geöffnet. Am Tore be-sanb sich die Zoll- und die Akzisewache (Akzise = Verbrauchssteuer), bei der alle eingehenbe Hanbelsware versteuert werben mußte. Hatte man die Vorstabt burchschritten, so stanb man vor einem zweiten Mauerring; benn die älteste, von der Gera umflossene Befestigung war noch zum größten Teil vorhanben. Von ihren Toren stanben das alte Wasser-, Löber-, Johannes- und Augusttor (s. Nr. 21). Der mächtige Steinunterbau der Tore war mit bürstigen Holzhäuschen besetzt, die man an arme Leute vermietet hatte. Durch bxcfc Tore betrat man die eigentliche Stadt. Ihre Straßen waren verhältnismäßig breit. Aber das Gras wuchs zwischen den Steinen, ba der Verkehr fehlte. Pflaster und Reinlichkeit ließen viel zu wünschen übrig. Ersteres war so schlecht, daß sich an vielen Orten tiefe Löcher befanben, in benen Menschen und Vieh samt dem Fuhrwerk leicht verunglücken konnten. Durch die meisten der Straßen war fließenbes Wasser geleitet. Diese künstliche Bewässerung galt als eine besonbere Merkwürbigkeit Erfurts und biente, außer zur Bewässerung der Gärten, der Reinlichkeit der Stadt und der Gefunbheit der Luft; ferner würde es in den Brauereien gebraucht, biente zum Antrieb der vielen Mühlen und ganz befonbers zur Unterstützung der Rettungsanstalten beim Feuer. Eine Straßenbeleuchtung, wie sie die größeren deutschen Städte um 1800 bereits besaßen, fehlte noch. Wer abenbs ausgehen wollte, mußte sich eine Laterne mitnehmen. Auch Straßenschilber und Hausnummern waren nicht vorhanben. Jebes der 3154 Häuser hatte noch die aus dem Mittelalter stammenbe Benennung, unter der es allgemein bekannt war. Die Bautätigkeit war gering. Die vorhandenen prächtigen Bauten stammten aus älterer Zeit. Wohl aber zählte man in der Stadt über 400 wüste Brandstätten. Nicht weniger als 15 Kirchen standen teils unge-
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Extrahierte Personennamen: Jonas David David Josua
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bergen gelegene Dörfchen Daberstedt, das nach dem Großen Kriege neuerstanden war, in Flammen auf. Die Franzofen halten es angezündet, damit es den Verbündeten nicht als Unterschlupf dienen könne. Genau 8 Tage fpäter ereilte Ilversgehofen dasselbe Schicksal. Mit verdeckten Laternen waren die Belagerten zum Johannes- und Krämpsertore hinausgezogen und halten die preußischen Vorposten und dann die ganze Besatzung des Ortes überlistet. Sie waren schon im Dorf, als der größte Teil der Preußen noch schlief. So wurde es ibuen möglich, ohne großen Widerstand die verbündeten Truppen zu vertreiben, die Häuser zu plündern und anzuzünden. Doch schon am folgenden Tage, am 6. November, erhielten die Franzosen die Antwort auf ihr Tun; denn die Verbündeten beschossen die Stadt heftig (f. Beschießung Nr. 77). Nun ließ sich der sranzösische Statthalter herbei, einen Waffenstillstand mit ihnen zu schließen.
Waffenstillstand und gesteigerte Not der Belagerten: Anfangs hieß es in der Stadt, bis zum 14. November sei Waffenruhe; und wirklich, die Feindseligkeiten waren auf beiden Seiten eingestellt. Kein Schuß siel mehr. Trotz eifriger Unterhandlungen kam es aber zu keinem Abschluß. In banger Sorge verging eine Woche nach der anderen, und die Lage der Bürger verschlimmerte sich von Tag zu Tag. Sie hatten alle Vorräte zu ersetzen, die aus der Festung durch Feuer zerstört worden waren. Die Kühe, die noch hier und da in den Ställen waren, wurden weggenommen und den Fleischern verboten, srisches Fleisch zu schlachten. Was der Brand verschont hatte, das wurde jetzt durch Menschenhände vernichtet. Die noch übrigen Häuser um die Festung und den Dom wurden niedergerissen und dadurch mehrere 100 Bürger aus ihren Wohnungen vertrieben. Auch eine hohe Geld-steuer wurde mit größter Strenge eingefordert. Alles das fetzte die Stadt in große Unruhe, befouders da verschiedene Kanonen in den Straßen aufgepflanzt und Streifwachen ausgeschickt wurden.
Durch den Mangel an genügender Nahrung und gesunder Luft, sowie durch die fortwährende Sorge und Aufregung steigerte sich die Sterblichkeit gewaltig. Viele Bürgerhäuser waren ganz ansg^storben. In der Zeit vom 1. bis 17. November wurden 400 Bürger und 1472 Soldaten aus den Militärlazaretten begraben. Alle schmachteten darum nach Erlösung.
Ilebergabe der Stadt: Endlich stand der Tag der Ueber-
gabe der Stadt an die Preußen fest. Am 6. Januar sollten ihnen die Tore geöffnet werden. Diese Nachricht verbreitete in der r^tadt allgemeine Freude. Von den Wällen wurden die Kanonen abgeführt und den Bürgern erlaubt, die alten Spazierwege wieder aufzusuchen. Von dieser Erlaubnis wurde besonders am Neujahrstage ausgiebiger Gebrauch gemacht, ja einige Bürger bahnten sich über den gefrorenen Stadtgraben den Weg ins Freie. Am folgenden Sonntage, am 2. Januar, wallfahrten viele sogar
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glühender Vaterlandsliebe beseelt, den Kamps bis auss Messer
fdli506ne%öqem wurde darum der Vormarsch der deutschen Truppen aus Paris angeordnet und noch Anfang September von der Maasarmee, bei welcher unsere Erfurter Regimenter marschierten, anaetreten. Der besseren Verpflegung balber zogen die Truppen in breiter Front. Trotzdem war die Verproviantierung während des Vormarsches mit großen Schwierigkeiten verknüpft. Die Vertreibungen sielen in den französischen Ortschaften meist sehr durstig aus. Wohl war die Gegend, nachdem man die Ardennen pai-siert hatte sruchtbar. Manches stattliche Gehöft und manches stolze Schloß zeugte von der Wohlhabenheit des Ortes, doch waren vor dem Eintreffen unserer Truppen die vorhandenen Vorräte entfernt worden. Vieles hatten die geflüchteten Einwohner mitgenommen, anderes hatten sie unbrauchbar gemacht, zu mindest aber verborgen. Das war den Unsern aber bald bekannt geworden. unterzogen darum jedes Gehöft, in das sie einquartiert wurden, einer gründlichen Besichtigung, wobei manches verborgene ^tuck zutage gefördert wurde. In einem Dorfe, wohl 3 Stunden hinter Laon, wurde das letzte Haus des Ortes das Quartier einiger 31er Musketiere. Nachdem sie ihren Einzug gehalten und Gewehre und Affen abgelegt hatten, begannen sie sofort mit einer gründlichen Untersuchung des ganzen Hauses. Und richtig, sie war von Erfolg gekrönt! Der eine hatte eine Taube, der andere ein Kaninchen, ein dritter Kartoffeln und der vierte im Keller ein Faß Wein gefunden. Aber nirgends gab es ein Kochgeschirr! Da kam der letzte aus dem Garten und berichtete, daß dort gewühlt sei. Sofort wurde mit dem Spaten losgegraben. Bald zeigte sich em großes Faß. Es wurde mit Druckbäumen herausgewürgt. Da fanden sich denn Töpse, Messer, Gabeln und allerlei Hausrat. Nun wurde geheizt, gekocht, gebraten und gesotten wie an einem Ehrentage. Als alles fertig war, ging's ans Schmausen, wobei die Gläser des öfteren gefüllt wurden.
Doch nicht immer trafen es die Unfern so glücklich. Zumeist war Schmalhans Küchenmeister. Unter den nachgeführten Rinderherden war die Rinderpest ausgebrochen, und Hammelfleisch und Erbswurst waren öfter als erwünscht aus dem Küchenzettel zu sehen.
Mitte September kam die Maas-Armee vor Paris an. Ihr siel die Ausgabe zu, die Stadt aus dem rechten Seine- und Marne-nser einzuschließen. Um die Einschließungslinie möglichst zu kürzen, war es notwendig, die Truppen unter Deckung gegen das feindliche Feuer nahe an die Außenwerte der Festung heranzuschieben. Das konnte aber nnr geschehen, wenn der Feind, der sich in den Weinbergen von Sarcelles und Pierresitte eingenistet batte, in die Besestignngen von St. Denis zurückgeworfen wurde. Am 19. September stießen unsere 31er und 71er Füsiliere mit ihm zusammen. Der Kampf war nur kurz. Die Franzofen zeigten
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dem Erfurter Waibmarkt, Nr. 33, 3. Erfurt als Hanbels- und Marktstabt, Nr. 34; Weitergasse = Waibgasse).
Erwerbung eines ausgedehnten Landgebietes: Auf Grund ihres Reichtums war es der Stadt möglich, sich ein großes Laub-gebiet zu erwerben. Das erste auswärtige Torf, das in Erfurter Besitz kam, war Stotternheim. Es würde 1268 erobert und mit Erlaubnis des Lanbgraseu Albrecht behalten. Ritter Lubolf von Stotternheim kaufte sich für bte erhaltene Summe Gruubftücke in Erfurt. Seine Nachkommen haben lange als eine der angesehensten Patrizierfamilie der Stadt geblüht und das prächtigste Gebäube Erfurts, den Stotternheimschen Palast, gebaut (1612, Anger 65 und Schlösserstraße 1—8; abgebrannt 1660). 1270 verpfänbete
Laubgraf Albrecht die Grafschaft an der Schmalen Gera an bte Stadt. 1343 kaufte Erfurt von bett Grafen von Gleichen die Grafschaft Vieselbach mit 19 Dörfern, barunter Vieselbach, Kerspleben, Liuberbach, Winbifchholzhaufen, Urbich, Nieberniffa u. a.; 1346 erftanb es auf Wieberkauf die festen Schlösser Tonn borf und Mühlburg (s. Auf der Mühlburg, Nr. 25), 1348 das Amt Kapellenborf, bestehenb aus dem Schlosse gleichen Namens und 13 Dörfern, 1385 Groß-Vargnla und 1387 Schloß Vippach. — Kapellenborf, Vippach, Vargula und Vieselbach waren der Stolz der ^tabt, ihre Herrschaften und ihr persönliches Eigentum, andere Besitzungen bagegen waren ihr nur vom Reich, von bett Erzbischöfen tt. a. zu Lehen gegeben. Bei einigen teilte sie ihre Rechte gar mit attberen Besitzern nnb bei vielen besaß sie nur das Anrecht am Gericht und an dessen Gefälle. Die Wappen1) der vier genannten Orte würden mit in das Stabtwappen gefetzt, wie wir es noch im Rathaushof erblicken. — Die Erwerbungen hatten vor allem den Zweck, eine allzeit hinreichend, von frember Znfnhr unabhängige Nahritngsversorgnng zu ermöglichen; benn in kriegerischen Seiten war oft jebe Ernte in Frage gestellt. Da war es bettn von großem Nutzen, wenn die Speicher der Stadt gefüllt waren, und tatsächlich haben die aufgehäuften Vorräte oft genug die Bürger vor Hunger und Entbehrungen geschützt. — Einige der Erwerbungen bienten auch militärischen Zwecken, z. B. die Schlösser Kapellenborf, Tonnborf, Mühlberg, Vippach und Var-gula. Sie waren in frieblichen Zeiten von einem Vogt und einer geringen Zahl Knechte bewohnt. In kriegerischen Zeiten bagegen waren sie stark mit Bürgern und Sölbnern besetzt. Zu jeber Zeit aber stauben sie den Kaufleuten offen. — Anwerbern hatte die Stadt zu ihrem Schutze rings um ihr Gebiet Wachttürme errichten
’) Kapellenborf — drei schwarze senkrechte Balken in silbernem Feld; Vieselbach — ein silberner, mit roten Balken belegter Abler auf blauem Grunb;
Vippach — sechs schachbrettartig geordnete, abwechselnb rote und silberne Felber;
Vargula — ein schwarzes Rab in silbernem Felb.
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Extrahierte Personennamen: Erfurt Albrecht Ritter_Lubolf_von_Stotternheim Albrecht Albrecht Schloß_Vippach
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genommen hatte. So hörten denn die Erfurter die tönenden Hornstöße und lachten sich einander fröhlich an.
Der Stadthanptmann traf sofort seine Anordnungen. Die Soldleute wurden in vier Haufen geteilt und ins Dorf Andisleben gelegt. Die Ratsherren und Junker bezogen gleichfalls ttn Dorfe Quartier, und auch ein Teil des Fußvolks wurde daselbst eingelagert. Das war natürlich kein bequemes Wohnen; jedes Dach und jeder halbwegs geschützte Winkel mußten recht sein.
Der weitaus größte Teil des Fußvolks aber mußte trotz der strengen Winterkälte im Freien nächtigen. Da war nun Holz für
die Lagerfeuer nicht zu entbehren. Man gab sich jedoch nicht erst
die Mühe, das nahe Gehölz zu lichten, sondern räumte kurzerhand inl Dorfe mit den Wintervorräten der Bauern auf, zerschlug Zäune, Türen und Tore und schaffte alles ins Lager. Das Dorf war ja landgräflich und wurde darum mit all der Rücksichtslosigkeit behandelt, die man Feinden und zumal Bauern gegenüber anzuwenden Pflegte. Dann wurden die Zelte aufgeschlagen, soweit solche vorhanden waren; auch wurde Stroh aus dem Dorf herangeschleppt und um die Feuer gebreitet, und endlich wurde Vieh aus den
Ställen gezogen und geschlachtet, und Wein, Bier und Brot verteilt.
Jn der Burg: Auch drinnen in der Burg herrschte seit
der Ankunft der Erfurter ein gar geschäftiges Leben und Treiben, aber außer einigen gelegentlichen Pseilgrüßen, die von der Mauer herüberkamen, geschah nichts, was die Erfurter bei der Herrichtung des Lagers und ihrer Angriffsmaßregeln gestört hätte. Das war ein sicheres Zeichen, daß die Burgleute von der Belagerung vollständig überrascht worden waren und daß sie für die Abwehr des zu erwartenden Angriffs sich erst in aller Hast einrichten mutzten. Die Erfurter nahmen das als gutes Anzeichen mit in ihren kurzen Schlaf.
Der erste Angriff: Der wichtigste Bundesgenosse bei einer
Belagerung jener Zeit war das Feuer. Pulver kannte man noch nicht, die Fernwirkung der Geschosse war fragwürdig und der Fall einer Burg oder einer Stadt von ihnen nie zu erhoffen. Einzig das Feuer kam den Belagerern wirksam zu Hilfe. Die Dächer waren noch, abgesehen von wenigen Ausnahmen, mit Stroh und Schindeln gedeckt und die Häuser selbst fester Burgen zum guten Teil aus Fachwerk mit Holz- und Lehmverkleidung aufgerichtet. So leichtes Dachwerk und so leicht gebaute Häuser aber fingen schnell Feuer, und wenn darum die Brandkugeln ihre Schuldigkeit taten, ging ein Brand bald hier, bald dort auf. Dann hatte die Besatzung alle Hände voll mit der Löschung der Flammen zu tun, die Mauern wurden zum guten Teil von Verteidigern entblößt und ein Sturm konnte mit geringer Mühe und kleinen Opfern gewagt werden.
Auf die Hilfe des Feuers hatten die Erfurter natürlich auch stark gerechnet, fürs erste aber hatte sich der Himmel ins Mittel
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brücke, die jetzt wieder hergestellt ist. Im Innern des Burghofs erhob sich der runde Bergsrit, das wichtigste Gebäude der Burg zur Zeit einer Belagerung. Von ihm konnte der Wächter weithin die Gegend übersehen und die Annäherung stärkerer Heer-hanfen schnell durch Hornruf verkünden. Da aber die Burg auch der ritterlichen Familie, der Dienerschaft und der Besatzung Wohnung bieten mußte, so waren auf dem Burghof noch andere Gebäude vorhanden. Ein Bild von der Mühlburg aus dem Jahre 1528 zeigt uns den Burghof eingeengt von vielen Häusern aus Fachwerk und Stein, darunter Pferdeställe, Schüttböden, Kammern für Harnische, für das Gesinde, die Knechte und die Reisigen, die alle in der großen Eßlaube gespeist wurden. In einer Küche hantierten die Mägde, und in den großen Kellern lag ein reicher Vorrat an Bier und Wein. Auch eine Kapelle, deren Reste heute noch zu erkennen sind, war vorhanden, damit das Seelenheil der Bewohner nicht leide. Ein uralter, tiefer Brunnen, Meinhardsbrunnen genannt, lieferte hinreichend Wasser für die Menschen und das zahlreiche Vieh; denn außer vielen Pferden waren auch Hunde, Schweine und andere Haustiere in größerer Zahl vorhanden. Aus ihm das Wasser heraufzuwinden, war ein beschwerliches Stück Arbeit und geschah sicher mit einem Tretrad, wie ein solches noch tagtäglich von dem Kastellan der nahen Wachsenburg zu dem gleichen Zwecke in Bewegung gesetzt werden muß. — Wenn nun manche Gebäude, die das alte Bild zeigt, auch erst unter der Erfurter Herrschaft entstanden, mindestens aber erst in dieser Zeit ausgebaut worden sind, so hat die Mühlburg doch schon früher alle die für eine Burg notwendigen Gebäulichkeiten gehabt; hierzu zählen der Palas, die Kemenate, das Rüst- und Schnitzhaus und das Wohnhaus für das Gesinde. Der Palas oder das Herrenhaus der Mühlburg lag unmittelbar neben dem Bergfrit aus seiner Ostseite und war mit ihm durch einen Gang, der in der Zeit der Gesahr leicht zerstört werden konnte, verbunden. In der höchsten Not war dann der Bergfrit, der überhaupt nur kriegerischen Zwecken diente, die letzte Rettung für die Bewohner der Bnrg. Dem Palas gegenüber, nahe der Westmaner, lag die Kemenate oder das Franenhans mit den Wobn- und Scklas-ränmen für die Familie des Ritters. Gewöhnlich enthielt das Frauenhaus nur drei durch Kamine heizbare Gemächer (daher auch der Name Kemenate = mit Kamin versehenes Gemach): das Zimmer der Burgfrau, das Mägdezimmer und das Zimmer, in dem unter Aufsicht der Herrin die Mägde Flachs und Wolle spannen und webten und die Gewänder fertigen mußten. Dieser Raum hieß auch Psieselgadeu, d. i. Arbeitsraum der Frauen und Mägde. Im Palas, dem Versammlungsort der Männer, dagegen spielte sich das sonstige gesellige Leben auf der Burg ab. In feinem Saal, der an die Halle des thüringischen Edelhoses erinnerte und oft der einzige Raum des Herrenhauses war, wurde das Mittags-
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Karren, und mit lauter Stimme priesen die Händler ihre Ware an. — Mit großer Würde und Kennerblicken stolzierten die Waidhändler von Karre zu Karre und feilschten um die Waidballen. War endlich ein Verkauf zum Abschluß gekommen, dann ging's zum städtischen Kaufhaus in der Michaelisstraße, allwo in Gegenwart des Käufers der Waid gemessen und das Waidgeld, für jedes Waidmaß einen Groschen, entrichtet wurde.
An der Wechselbank und bei den Gewandschneidern: Aber auch sonst herrschte in der Stadt reges Leben. Die vielen Fremden, die zum Waidmarkt gekommen waren, da sie hier Ballenwaid kaufen durften^ und die Bauern, die ein gutes Geschäft gemacht hatten, suchten zugleich die anderen Erfurter Straßen und Plätze auf, auf denen ständig Markt abgehalten wurde. Besonders auf dem Mönchsmarkte (Weniger Markt)1) schoben sich die Einheimischen und Fremden zwischen den Gaden und Bänken hindurch. Hier waren zumeist die Münzer umlagert, die am Ausgange des Marktes nach der Futterergasse hin ihre Bänke ausgestellt hatten. Der Waidhändler, der Kaufmann, der Handwerker und der Bauer — alle brauchten heute mehr als sonst gutes Geld, und so wechselten die Münzer denn ohne Unterlaß Pfennige alter Prägung ein, um aus ihren unerschöpflichen Beuteln Münzen neuer Prägung dafür zu geben (vor 1354).2) Sie kauften die kleinen Gold- und Silberbarren, die von den Kaufleuten auf die Wechselbank gelegt wurden, damit sie den Gegenwert in ersurtischem Gelde bekämen. Die Pfennige hatten vollen Wert nur für ein Jahr und mußten dann gegen solche neuer Prägung eingewechselt werden. Der Münzmeister sah scharf zu und prüfte die Beutel, ob sie nicht etwa falfchlötige Pfennige enthielten, fanden sich auch nur zwölf im Besitze des Münzers, dann gings ihm an Leib und Leben und keine Macht der Welt konnte ihn retten.
Außerdem hatten die Gewandschneider-Gaden den meisten Zuspruch; nur hier durste Tuch vom Stück geschnitten und verkauft werden. An ihnen versorgten sich alle Stände, der Fürst und Graf nicht weniger als der Bauer, mit dem Gewandstoff, der ihnen taugte, und die Auswahl war überraschend groß. Der Gaden lief vom Ilgen- oder Aegidientor nach der Sülze hinüber, in deren Nähe die Kürschner ihre Pelzröcke und sonstigen Rauchwaren verkauften.
Fröhliches Leben und Treiben: Auf dem Platze vor den Graden (heute Friedrich Wilhelmsplatz) hatten sich die Gaukler und Quacksalber eingefunden. Sie hatten dem Marktmeister gezollt und zeigten nun ihre Künste und priesen ihre Salben und Wnnder-
!) Andere Deutungen: Wendischer Markt (s. S. 2) u. Forum parvum = Kleiner Markt, an Größe geringer oder weniger als die anderen Marktplatze.
2) Der Rat, der seit 1354 Besitzer der Münze war, lietz die Groschen und Pfennige in reinerer Mischung herstellen und nur noch umwechseln, wenn sie durch Abgreifen allzu dünn geworden waren.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelmsplatz Friedrich
einzigartigen Basars rechts wenden, der Michaelisstraße zu. Hier stehen die weiten Hallen des städtischen Kaufhauses, der Wage (Wagegasse). In den sestgemieteten Kammern soll diesmal nur ein Teil des Frachtgutes gelagert werden; der würdige Wagemeister empfängt uns am Tore und weist seine Knechte an, die betreffenden Wagen abzuladen. Je nach feiner Art kommt das Gut aus eine besondere Wage. Auf alles aber, was verfrachtet wurde: Mansselder Kupfer, Braunschweiger Wolle, Zinn, Salpeter, Rosinen, Feigen, Datteln, Mandeln und ähnliche teure „Pfennigware" wird das „Ungeld", die Verkaufssteuer, gelegt zum besten des Stadtsäüels. Die Ladung der übrigen Karren brauchen wir nur anzusagen und danach zu verzollen, weil wir häufige Gäste in Erfurt und dem Wagemeister als gewissenhafte Handelsleute, die kein „verschwiegen Gut" führen, bekannt sind.
Im Gasthaus: Endlich ist uns der Weg zur Herberge ver-
gönnt; wir kehren im Gasthaus „Zum Propheten"1) ein. Die Knechte führen die müden Gäule in die Ställe, die trotz ihrer Geräumigkeit schon halb gefüllt sind. Mit uns ist nämlich noch ein langer Zug Salzkarren aus dem berühmten Frankenhäuser Salzwerk eingetroffen. Trefflich schmeckt uns die krästige Abendkost: derbes Erfurter Brot, Speck und wohlschmeckender „Bolz", ein Gemüsebrei. Dazu bringt der Wirt eine Setzkandel nach der anderen voll dunkler Erfurter „Schlunze". Wir lassen uns das prächtige Braunbier munden, während die Stube sich immer mehr füllt. Wohl jeder blaukittelige Fuhrmann hat ein Abenteuer zum besten zu geben, und genug weitgereiste Gesellen sind darunter.
Da morgen Markttag ist, tauchen auch schon einzelne Waldleute auf, die ihre Waren: Kohlen, Holzgerät aller Art, Kienruß, auch Flachs und bergt, hereinbrachten.
Da bei Tagesanbruch weiter gezogen werben foll, und vorher noch die leeren Karren gefüllt werben müssen, so legen wir uns balb zur Ruhe. Beim ersten Frühlicht bezahlen wir die Zeche; bantt eilen die Knechte, die Kübel mit Waibballen, Erfurts vornehmster Hanbelsware, auf die Karren zu laben.
Weiterfahrt: Geleitsgelb im sächsischen Geleitshof, die Steuer zur Jnstanbhaltung der Straße und gleichzeitig Schutzgelb, haben wir als Nürnberger nur zur Hälfte zu bezahlen. Gewissenhaft schreibt der Beamte unsere Namen und Ware in sein schweres, in berbem Leberbanb hastenbes Geleitsregister. Der Waibzolt ist schon vorher entrichtet, und fertig geschirrt stehen die Pferbe und Wagen; so fetzt sich beun der stattliche Zug wieber in Bewegung. Rasch geht's über den freien Platz „vor den Graben" am Fuße der Domhöhe, wo der Mittwochmarkt schon in vollem Gange ist. Das Brühler Tor bürsen wir nach Vorweisung der Geleitszettel passieren. Draußen auf der hohen Lanbstraße fehlt es nicht an
*) Zum Propheten — Thüringer Hof.
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TM Hauptwörter (100): [T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T12: [Wasser Luft Erde Höhe Körper Fuß Dampf Bewegung Druck Gewicht], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art]]
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Einlagerung der Truppen des Kurfürsten von Lachsen:
schlimmer wurde es, als Kurfürst Johann Georg von Sachsen, der ^chutzlierr der Stadt, einen Teil seiner Reiterei und seines Fußvolkes in die Dörfer der fruchtbaren Geraaue flußabwärts von Erfurt einlagerte. Zwar sollte der von der Stadt in die Lorfer gelieferte Mundvorrat bezahlt und das Brot aus geliefer tem Mehl gebacken werden, doch die Landleute mußten die Sol baten mit ihren eigenen Vorräten verpflegen und die Stadt ihre Getreideböden für das ganz unnütze Kriegsvolk des Schutzherrn leeren, Ilnnütz war es; denn es gab nichts zu schützen. Nirgends war ein ^emd zu sehen. Besser wäre es gewesen, der Rat hätte mit den Vorräten die darbenden Stadtarmen speisen können. Leren gab es damals gerade sehr viele, da die Lebensmittelpreise auf zwölffacher Höhe standen. Ein Mäßlein Salz kostete 16 Gro sehen, ein Psund Butter 1 Gulden, 1 Käse 15 Pfennige, ein Paar Ferkel 20 24 und ein Paar Winterläuser 50 Gulden. Ter Reichs-
taler^galt 10—12 Gulden und das Kopsstück 2% Gulden.
Dazu kam, daß eine große Münznot eintrat. Das gute, volle ^ilbergeld verschwand mit einem Male, lind statt seiner bekam man Silberlinge in die Hände, die schon nach kurzem Gebrauch rotbäckig wurden. Aus der dünnen Versilberung schaute das Kupfer über all durch. Mit solch' schlechtem Kupferzeug war das Land über schwemmt, die guten Erfurter Münzen dagegen hatte man ins Ausland gebracht (Kipper und Wipper = Münzver schlechter er) -1) Niemand wollte es in Zahlung nehmen. Nicht einmal mit bitten den Worten konnten es die Armen an den Mann bringen. Die Bäcker und Fleischer hielten ihre Lüden geschlossen. Höchst selten fand sich einmal ein barmherziger Verkäufer, der aufs Kerbholz schnitt oder sich mit einem „Zettel", einer Vertröstung auf bessere Zeiten, begnügte.
Während so in der Stadt große Not herrschte, seierten die müßigen Kriegsknechte die üppigsten Festgelage. Und um die Not noch zu vergrößern, zertraten sie aus Mutwillen die Schotenselder, holten das geschnittene Heu der Gerawiesen in ihre Quartiere und ließen von ihren Weibern, Kindern und Troßbuben vorzei tige Lese in den Weinbergen halten.
Die Söldner des Herzogs Friedrich von Altenburg aus Erfurter Grund und Boden: Noch schlimmer wurde es, als
Herzog Friedrich von Altenburg seine Scharen in die Erfurter Dörfer einlagerte. Lüstern nach Kriegsruhm, wollte er mit ihnen gegen die protestantischen Niederlande ins Feld ziehen (1622).
1 j Selbst der Rat der Stadt hatte Anteil an der Münzverschlechterung, denn »Von dem im May in diesem Jahre (1629) zu Leipzig gehaltenen Ober-Sächsischen Kreiss-Tage, ward unter andern dem Rath zu Erffurth, weil er zu leicht gemüntzet, durch ein Schreiben solches verwiesen, und ihm auferleget hiervon bey der in den Reichs-Abschieden benannten Straffe abzustehen, damit man nicht Ursache habe solche von ihnen, auf dem wiedrigen Fall einbringen zu lassen.* Falckensteins „Historie von Erffurth.“
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind], T55: [Friedrich Kaiser Kurfürst Herzog Sachsen Johann Karl Land Bayern Wilhelm]]
Extrahierte Personennamen: Johann_Georg_von_Sachsen Johann Friedrich_von_Altenburg Friedrich Friedrich_von_Altenburg Friedrich Erffurth